pdf Zugleich umfassend und mutlos: Bildungsreform bleibt hinter den Erwartungen zurück Beliebt
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Zumeldung zur Landespressekonferenz der Landesregierung zur Bildungsreform
Stuttgart, 23. Juli 2024. – Das Kabinett hat heute grünes Licht gegeben für eine Bildungsreform, die so viel anpacken möchte wie schon lange nicht mehr. „In entscheidenden Punkten merkt man aber, dass die beiden Reformpaket-Überbringer in unterschiedliche Richtungen laufen wollten, am Ende also eher auf der Stelle getreten sind“, fasst der Vorsitzende des Landeselternbeirats (LEB), Sebastian Kölsch, die heute präsentierten Entscheidungen zusammen.
Die Entscheidung zur Sprachförderung im letzten Kindergartenjahr und zu Beginn der Grundschulzeit ist dabei überfällig. „Es ist einhellige Meinung der Bildungswissenschaft, dass Versäumnisse bei der frühkindlichen Sprachbildung zum überwiegenden Anteil ursächlich sind für schlechte Pisa- und IQB-Ergebnisse bis zum Ende der Sekundarstufe 1“, so Kölsch. Für den LEB-Vorsitzenden ist dabei klar: „Richtig gut wäre ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr gewesen als echtes Vorschul-Sprachbad. Mit der jetzt gefundenen Lösung bürden wir schlussendlich die Last wieder den Grundschulen auf, die ohnehin schon den Löwenanteil tragen müssen. Ohne nachhaltige personelle Aufstockung wird die Idee der Juniorklassen nicht zum gewünschten Erfolg führen.“
Der Wegfall des Werkrealschulabschlusses mag zwar den Forderungen der Kultusministerkonferenz Rechnung tragen, war aber bereits als Teil des bereits in Bebenhausen kommunizierten Koalitions-Kompromisses ein Kommunikations-GAU. „Wie man die Schulen mit dieser Entscheidung überrascht hat, war nicht gut“, fasst Sebastian Kölsch die vorherrschende Meinung zusammen. Es sei auch nach wie vor nicht zu 100% klar, ob der Wegfall des Werkrealschul-Abschlusses gleichbedeutend ist mit einem Auslaufen des Modells der Haupt- bzw. Werkrealschule oder eben nicht. „Hier lässt man eine ganze Schulart im Unsicheren, die hervorragende Arbeit leistet und sich um Schülerinnen und Schüler kümmert, die ein Mehr an Förderung nötig hätten und kein Zusammenstreichen der Möglichkeiten“, so der LEB-Vorsitzende.
Die Stärkung der Basiskompetenzen in den gymnasialen Eingangsklassen ist ein guter und richtiger Weg, wenngleich das neue G9 nicht an die Stundenzahlen des früheren Gymnasiums heranreichen wird. „Die Lernzeit-Verlängerung war seit Anbeginn der G9-Forderungen unser Hauptanliegen“, erinnert Sebastian Kölsch an die LEB-Position: „Ob das jetzige Stundenkontingent hierzu ausreicht, bleibt zwar abzuwarten. Die Idee der Demokratie- und Medienbildung begrüßen wir aber ausdrücklich.“ Wichtig sei aber auch die Implementierung dieses Fachs an den anderen Schularten, so Kölsch.
Kultusministerin Theresa Schopper stellte heute auf der Landespressekonferenz korrekt fest, dass das Gymnasium bereits bisher, also ohne verbindliche Grundschulempfehlung, „die homogenste Schulart mit 90% Gymnasialempfehlungen“ sei. Wie diese Feststellung dann zur beschlossenen Einführung der Verbindlichkeit der Empfehlung für die Schulart Gymnasium passt, bleibt jedoch ein Koalitionsgeheimnis. „Die Überforderung von Kindern am Gymnasium lag nicht nur an Fehlentscheidungen durch die Elternhäuser bei der Schulartwahl, sondern zu einem vermutlich genauso großen Anteil auch an Fehlempfehlungen durch die Grundschul-Lehrkräfte“, erinnert Sebastian Kölsch an die Realität. Die LEB-Position sei nach wie vor: „Wir benötigen gute Information für die Eltern, was die richtige Schulart ist – und nicht Zugangsbeschränkungen für nur eine Schulart. Eine Bevormundung der Eltern in diesem einen Lebensbereich ist unverhältnismäßig, wenn man nicht vorher alle Informations- und Aufklärungsoptionen ausprobiert hat.“
„Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die klare Empfehlung des Bürgerforums, G9 nicht einzuführen ohne eine intensive Betrachtung des Bildungssystems an Ganzes, nicht wirklich umgesetzt wurde“, so Sebastian Kölsch und ergänzt: „Auch die Forderung nach einer grundsätzlichen Erhöhung des Bildungsetats bleibt die Regierung heute leider schuldig.“