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pdf Erziehungspartnerschaft – was war das nochmal?

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Was drauf steht, was drin ist, was reingeschmuggelt wurde und was fehlt: eine subjektive Sicht auf das Bildungsreform-Paket

Ein Beitrag aus dem LEB

Das Bürgerforum hatte empfohlen, im Zuge der Wiedereinführung von G9 den Blick auf das Bildungssystem insgesamt zu weiten. Die Koalition kam dem nun nach, indem sie mit der Wiedereinführung von G9 Themenbereiche verquickte, die damit auf den ersten Blick eigentlich nichts zu tun haben.

Um das Paket etwas größer wirken zu lassen und ihm den Stempel „Bildungsreform“ aufdrücken zu können, wurden auch Teile, die eigentlich bereits schon separat beschlossen worden waren, flugs ins Paket eingegliedert.

Feststehende neue Eckpunkte

Ab Schuljahr 2025/26 wird G9 wieder die Regelform an den Gymnasien im Land. Neben den dann beginnenden Kindern der 5. Klassen haben auch die Kinder, die bereits diesen Sommer ins Gymnasium kommen, eine außerplanmäßige Option von G8 zu G9 zu wechseln. Jede Schule kann bei Bedarf einen G8-Zug anbieten, sofern das im Rahmen der vorhandenen Lehrkraft-Ressourcen machbar ist.

An den Realschulen soll es künftig kooperative verbünde geben, mit denen einzelne Schulstandorte zusammenarbeiten können, um ihr Angebot zu verbessern. Die Orientierungsstufe wird auf Klasse 5 verkürzt, also wird künftig bereits ein Jahr früher neben dem Mauch das G-Niveau unterrichtet.

Die Werkrealschulen geben ihr zehntes Schuljahr ab und bieten künftig keinen Werkrealabschluss mehr an. Ob damit mittelfristig wieder eine Umbenennung in Hauptschule erfolgen wird, da der Hauptschulabschluss wieder eigentliches Ziel dieser Schulart sein wird, steht noch nicht fest. Außerdem sollen sie sich idealerweise mit Realschulen zu sogenannten Verbundrealschulen zusammenschließen.

Gemeinschaftsschulen erhalten mehr Coaching-Stunden und können somit eines ihrer Alleinstellungsmerkmale schärfen. Gemeinschaftsschulen und Realschulen sollen Kooperationen mit beruflichen Gymnasien eingehen können, um so die starke Berufsorientierung und lebenspraktische Profilierung zu stärken. Diese Kooperationen sollen auch durch feste Verbund-Oberstufen gebildet werden können, deren Ausgestaltung und Organisation noch erarbeitet werden muss.

Weitere Paketbestandteile

Der Ausbau der Ganztagsgrundschulen ist schon lange erklärtes Ziel, findet sich aber trotzdem nochmal im aktuellen Paket wieder. Ebenso die bereits im vergangenen Herbst erfolgte Änderung des Schulgesetz-Paragraphen 4a. Das Startchancen-Programm des Bundes ist ebenfalls völlig unabhängig zustande gekommen, findet aber seinen Platz, zumindest in Zusammenhang mit der baden-württembergischen Pflicht zum Ganztag für Startchancen-Schulen der Primarstufe.

Das Sprachförderpaket in Kita und Grundschule war bereits einige Wochen vor Bebenhausen bekannt geworden, ist aber so umfangreich, dass man es auch nicht unerwähnt lassen wollte und ins Paket eingebunden hat. Hier ist Masse aber durchaus auch Klasse.

Elternmitbestimmung beschnitten

Der eigentliche Knackpunkt verbirgt sich aber unter der Überschrift „Schülerstromlenkung“. Allein durch diese Benennung macht die Koalition klar, worum es hier geht: Um die Ressource „Kind“, die aus infrastrukturellen Gegebenheiten heraus „gelenkt“ werden muss.

Während das Eckpunktepapier von einer „valideren“ Grundschulempfehlung spricht und sowohl in Bebenhausen als auch in der Regierungserklärung das Wort „verbindlich“ keinem aus dem Hause Grün über die Lippen kam, benutzten es die Bewohner des Hauses Schwarz so inflationär, dass man fast den Eindruck gewinnen konnte, sie wollten ihren Sieg im Koalitionspoker nun aber auch richtig feiern.

Was bedeutet diese nun in der Tat schlussendlich wieder verbindliche Grundschulempfehlung? Der Elternwunsch ist nur noch eine von drei Komponenten. Die beiden anderen sind Empfehlung der Lehrkraft sowie ein noch weiterzuentwickelnder und zu implementierender Kompetenztest auf Basis des aktuellen „Kompass 4“. In diesem Dreigestirn der Entscheidungskriterien soll die Regel „2 aus 3“ gelten. Sind sich Eltern und Lehrkraft einig, aber Kompass 4 spricht eine andere Sprache, gilt Lehrkraft und Elternmeinung. Empfiehlt die Lehrkraft das gleiche wie Kompass 4 und stellt sich gegen den Elternwunsch, haben letztere das Nachsehen. Für diesen Fall gibt es dann an der Zielschule noch einen Potentialtest, dessen Ergebnis dann schlussendlich verbindlich ist. Bereits in unseren Impulsen zu G9 im Dezember hatten wir deutlich gemacht, dass ein neues G9 derart attraktiv erscheinen würde, dass man die anderen Schularten schützen müsse. Hierfür sah unser Impuls zur Grundschulempfehlung zwei wichtige Kernbestandteile vor:

1) Die Kriterien in der Grundschulempfehlungsverordnung müssen so geschärft werden, dass sie objektiven Vergleichen standhalten und dass es weniger Fehlempfehlungen durch wohlmeinende Grundschullehrkräfte gibt. Denn unter den Gymnasialkindern, die irgendwann überfordert ihre Schulart verlassen müssen, sind dem Vernehmen nach nicht gerade wenige mit Gymnasialempfehlung.

2) Die Information und Aufklärung für Eltern muss gestärkt werden. Ein hyperkomplexes Schulsystem wie das in unserem Land bedarf auch intensiver Erklärung. Wo die Informationen dazu aber nicht zentral erfolgen, sondern dezentral nach Gusto der Vortragenden, und zahlreiche Eltern diese Informationen gar nicht erst erhalten, ist ein Fehler im System. Man kann nicht keine Aufklärung betreiben und dann einfach vor eine der Schularten eine Schranke aufbauen.

Die aktuelle Koalition hat damit innerhalb von nur 12 Monaten mit der Änderung des § 4a Schulgesetz und der im gymnasialen Kontext verbindlichen Grundschulempfehlung zweimal Elternrechte beschnitten. Galt nicht mal die enge Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus als hohes Gut...?

Kleiner Logik-Knick

Wer verhindern möchte, dass das Gymnasium überrannt wird und andere Schularten ausbluten, sollte eine Sache tun und eine Sache vermeiden:

  • Man sollte unbedingt die Alternativen so attraktiv wie möglich Ein gutes Angebot lockt „Kunden“.
  • Und man sollte unter keinen Umständen die vermeintlich attraktivste Schulart durch eine steuernde Zugangsbeschränkung noch attraktiver

Dass dies nicht so richtig gut gelungen ist, ist ziemlich offensichtlich. Und darüber wollen wir reden. Denn sowohl der Ministerpräsident als auch der CDU-Fraktionschef haben ja gesagt, gute, kostenneutrale Alternativvorschläge dürfe man gerne bringen.

In diesem Sinne: Für unsere Kinder.