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pdf Eine neue Sekundarschule für Baden-Württemberg?

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Eine Expertengruppe skizziert eine tiefgreifende Reform der Schularten neben dem Gymnasium

Ein Beitrag von Albrecht Wacker & Thorsten Bohl, Autorengruppe Neue Sekundarschule

Am 14. Juni 2024 wurde die Neue Sekundarschule in Stuttgart vorgestellt. Mit dem Vorschlag will eine Arbeitsgruppe drängende Probleme der Schulstruktur in Baden-Württemberg aufgreifen. Sie besteht aus Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft und Praxis aus allen Schularten in Baden-Württemberg und ebenso aus Akteuren der Schulverwaltung und Vertretern der Schulträger. Der Vorschlag der Gruppe zielt darauf, die bisherigen Haupt- und Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen als eine Schulart (neben dem Gymnasium) zur Neuen Sekundarschule zusammenzufassen. Die Gruppe sieht in einem zweigliedrigen Schulsystem einen konstruktiven Weg, um akuten Problemen zu begegnen.

Welchen Problemen will die Arbeitsgruppe begegnen?

Die sozialen und pädagogischen Herausforderungen, die über Flucht und Migration hinaus auch durch die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf das Schulsystem einwirken, betreffen weit überproportional die Haupt- und Werkrealschulen, die Realschulen und Gemeinschaftsschulen.
Gerade diese Schularten konkurrieren in jedem Jahr neu um die Lernenden und sind auch am meisten vom akuten Lehrkräftemangel betroffen. Insgesamt führten die Entwicklungen schon in den letzten Jahren zu strukturellen Ungleichheiten zwischen dem Gymnasium einerseits und den weiteren Schularten in der Sekundarstufe andererseits. Diese Probleme werden sich durch die Einführung des G9, so ist begründet zu vermuten, weiter verschärfen.

Was schlägt die Arbeitsgruppe„Neue Sekundarschule“ vor?

Die Neue Sekundarschule ist eine inklusive Schulart, die die Stärken der bisherigen Schularten aufgreift und weiterentwickelt. Sie bietet alle Abschlüsse an: Einen Ersten Schulabschluss zum Ende der 9. und 10. Klassenstufe, den Mittleren Abschluss nach der 10. Klassenstufe und die Allgemeine oder Fachgebundene Hochschulreife zum Ende der 13. Klassenstufe. Sie kann in eigenen Oberstufen, in gemeinsamen Oberstufen und in Kooperation mit den etablierten beruflichen Gymnasien absolviert werden.
Kernmerkmale der Neuen Sekundarschule sind ein professioneller Umgang mit der Heterogenität ihrer Schülerinnen und Schüler, der im organisatorischen Rahmen einer verbindlichen Ganztagsschule in multiprofessionellen Teams verwirklicht wird. Die Neue Sekundarschule ist hierzu in Bildungsabschnitte mit unterschiedlichen Zielausrichtungen gegliedert.
Die Neue Sekundarschule realisiert einen anspruchsvollen adaptiven und differenzierten Unterricht, der vom Ineinandergreifen von instruktiven und konstruktiven Phasen geprägt ist. Während der Arbeitsprozess für jüngere Lernende noch einer umfangreicheren Strukturierung unterliegt, kommt er in den höheren Klassen dem zunehmenden Autonomiestreben junger Menschen in der Adoleszenz entgegen. Auf die individuelle Unterstützung der Lernenden wird besonders Wert gelegt und digitale Werkzeuge werden hierfür herangezogen. Ziffernoten und äußere Differenzierung sind ab Klassenstufe 7 möglich. Eine individuelle Lernbegleitung erstreckt sich über die gesamte Sekundarstufe.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt, die Neue Sekundarschule in einem zeitlich definierten und klar gegliederten Prozess einzuführen, dem ein vierjähriger Vorbereitungsprozess vorausgeht. Sie plädiert dafür, den Einzelschulen im Implementationsprozess ein hohes Maß an Schulautonomie bei gleichzeitig adaptiver Unterstützung einzuräumen.

 Klassen  Bildungsabschnitt
 5/6  Im Bildungsabschnitt Orientieren und Basiskompetenzen sichern stehen ein gelingendes Ankommen und die Sicherung von Basiskompetenzen, auch vor dem Hintergrund besonderer Lerndispositionen, im Mittelpunkt. Ein „Sitzenbleiben“ ist hier nicht möglich.
 7/8  Der Bildungsabschnitt Stabilisieren und Interesse wecken ist der Entwicklung der Jugendlichen in der Pubertät und Adoleszenz verpflichtet. Er sucht die erworbenen Kompetenzen zu stabilisieren und über ein vermehrt interessegeleitetes Lernen in einem breiten Spektrum an Fächern und Themenfeldern Selbstwirksamkeitserfahrungen anzubahnen.
 9/10  Im Bildungsabschnitt Profilieren und Abschließen erfolgt eine Entscheidung für das Profil „Zukunftsorientierung in Berufsfeldern“ oder ein „gymnasiales Profil“. Mit der Wahl der Profile sind fachspezifische Schwerpunktsetzungen für gelingende Abschlüsse verbunden.

Der 70-seitige Vorschlag, der Begründungen und Merkmale ausführt und Hinweise zur Einführung gibt, ist online verfügbar: kurzlinks.de/neue-sek-bw