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pdf Beschweren – aber richtig

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Eltern fragen – Michael Rux antwortet

Frage: Ein Elternpaar hat sich bei mir als Klassenelternvertreterin beklagt: Eine Gruppe von Mädchen ist offenbar dabei, ihre Tochter, ein sehr nettes, aber recht schüchternes Kind zu hänseln, nicht nur verbal, sondern auch handgreiflich. Manchmal traue sich ihre Tochter kaum heimzulaufen, weil das auch auf dem Schulweg passiere. Die Eltern wissen also davon, haben aber Angst, ihrem Kind zu schaden, wenn sie die Sache „hochspielen“. Sie fragen sich (und mich), ob sie ihr Kind künftig mit dem Auto zur Schule bringen und abholen müssen.

Michael Rux:

Nein, zunächst ist hier die Schule gefordert, denn sie hat die gesetzliche Pflicht, jedem Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern entgegengetreten, auch dem Mobbing. In § 23 des Schulgesetzes wird der Schule (also nicht nur der Schulleitung, sondern allen Lehrkräften) die Berechtigung und damit auch die Pflicht erteilt, „die zur Aufrechterhaltung der Ordnung des Schulbetriebs und zur Erfüllung der ihr übertragenen unterrichtlichen und erzieherischen Aufgaben erforderlichen Maßnahmen zu treffen“. Hierzu darf sie gemäß § 90 dieses Gesetzes „pädagogische Erziehungsmaßnahmen“ und, soweit diese nicht ausreichen, auch förmliche „Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen“ ergreifen. Auch ein Fehlverhalten, das in den Schulbetrieb konkret feststellbar störend hineinwirkt, gilt als „schulbezogen“, deshalb muss die Schule Mobbing innerhalb der Klasse auch dann entgegentreten, wenn es außerhalb der Schule auf dem Schulweg stattfindet oder fortgesetzt wird. Die Eltern sollten sich zunächst an die Klassenlehrkraft und – falls dies erfolglos bleiben sollte – an die Schulleitung wenden. Falls die Eltern sich vor einer förmlichen „Beschwerde“ scheuen oder wenn sie sich sprachlich nicht sicher fühlen, können sie zu solchen Gesprächen eine Begleitperson mitbringen. Das könnte beispielsweise ein erfahrener Elternvertreter sein. Die kann auch eine Moderationsfunktion wahrnehmen, für einen freundlichen, aber bestimmten Ton sorgen und helfen, unnötigen Streit zu vermeiden. Hier gilt wie bei allen Verhandlungen: Höflichkeit ist bisweilen die schärfste Waffe. Wenn die Schulleitung sich zögerlich verhalten sollte, empfiehlt es sich beispielsweise, statt einer massiven Forderung oder gar der Drohung, das Schulamt einzuschalten, lieber eine Frage zu stellen: „Können wir das nicht vor Ort regeln, statt die Schulaufsichtsbehörde einzuschalten?“

Denn es ist immer die Doppelrolle der Schulleitung zu respektieren: Bei einer Elternbeschwerde muss sie einerseits den Beschäftigten „Schutz und Fürsorge“ leisten, also beispielsweise Lehrkräfte vor Denunziationen schützen, andererseits hat sie für einen geordneten Schulbetrieb zu sorgen und die Schülerinnen und Schüler vor Schaden zu bewahren. Sie muss deshalb, sofern sie die Beschwerde nicht als offensichtlich unbegründet zurückweist, den Sachverhalt aufklären und eventuelle Mängel beheben.

Wenn handfest belegbar ist, dass und wie ein Kind „gemobbt“, also verbale oder tätliche Gewalt ausgeübt wird, darf die Schule nicht untätig bleiben, und notfalls muss tatsächlich die Schulbehörde eingreifen. Aber das darf erst dann geschehen, wenn auf unterer Ebene nichts erreicht wird. Denn wie jede „Verwaltung“ muss auch die öffentliche Schule ihre Angelegenheiten zunächst selber regeln. Zwar haben Eltern keinen Dienstweg, sie können sich also bei jedermann/- frau und auf jede Weise beschweren, aber selbst dann, wenn sie sich an die Kultusministerin höchstpersönlich wenden, wird (muss!) diese zunächst „unten“ nachfragen: Was liegt denn konkret vor? Warum hat denn die untere Ebene (das ist zunächst die zuständige Lehrkraft und danach die Schulleitung) nicht für Ordnung gesorgt?