Zum Hauptinhalt springen

pdf Entwurf einer Artikelverordnung (Schulgesetz) Beliebt

199 Downloads

Der Landeselternbeirat befasste sich in seiner Sitzung vom 18. Dezember 2024 mit der Artikelverordnung, die hauptsächlich die Umsetzung der im parlamentarischen Verfahren befindlichen Schulgesetzänderung in untergesetzliche Rechtsverordnungen zum Inhalt hat.

Vorbemerkungen

Der große Umfang dieser Artikelverordnung stand leider in einem eklatanten Missverhältnis zum Anhörungszeitraum und der für eine Stellungnahme vorgesehenen Zeit. Der große Zeitdruck machte eine ausführliche Befassung und Beratung nur bedingt möglich, weshalb die vorliegende Stellungnahme nach bestem Wissen und Gewissen verfasst wird. Grundsätzlich bittet der Landeselternbeirat bei derart umfangreichen Änderungen um mehr Zeit, um sich als ehrenamtlich tätiges Gremium auch in der gebotenen Tiefe mit der Thematik befassen zu können.

Der Landeselternbeirat verweist auf seine Stellungnahme zum Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg vom 16. September 2024. Die dort gemachten Anmerkungen zu Kernbestandteilen des künftig gültigen Schulgesetzes, für das die nun zur Anhörung stehenden Änderungen der Rechtsverordnungen vorgesehen sind, gelten nach wie vor fort. Wenn wir uns in der Folge nun zu Details zum Beispiel der „Verordnung des Kultusministeriums über die Aufnahme an den auf der Grundschule aufbauenden Schularten“ äußern, ändert dies nichts an unserer grundsätzliche Ablehnung des §88 SchG.

Artikel 3 – Änderung der Schulbesuchsverordnung

Der Landeselternbeirat begrüßt ausdrücklich die in Punkt 2 a) dd) vorgesehene Vereinfachung hinsichtlich der schriftlichen Entschuldigung. Diese trägt nach vielen Jahren im Einsatz befindlicher elektronischer Systeme zur Meldung von Abwesenheiten der Realität Rechnung und erspart den Schulen und Eltern papierbasierte Bürokratie.

Die in Punkt 2 b) vorgesehenen Änderungen hinsichtlich der ärztlichen Atteste lehnt der Landeselternbeirat in dieser Form ab. Sowohl die unter 2 b) aa) vorgesehene „konkrete Beschreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigung“ als auch die unter 2 b) cc) vorgesehene Kostenpflichtigkeit sind unverhältnismäßige Benachteiligungen der Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern im Vergleich zu Berufstätigen.
Der Landeselternbeirat fordert hier eine Regelung, die sich hinsichtlich des Datenschutzes und der Kostenübernahme an die gängige Praxis von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen orientiert.

Artikel 6 – Änderung der Konferenzordnung

Die in Punkt 2 b) cc) vorgesehene Verbindlichkeit von durch Fachkonferenzen beschlossenen einheitlichen Gewichtungen der unterschiedlichen Leistungsarten begrüßt der Landeselternbeirat ausdrücklich. Diese Transparenz und Vereinheitlichung innerhalb einer Schule ist überfällig.

Artikel 7 und 10 – Änderungen der Elternbeiratsverordnung und Schulkonferenzordnung

Die hier landesweit vereinheitlichte Ermöglichung digitaler Gremiensitzungen erleichtert ehrenamtlich Tätigen ihr Engagement ganz erheblich und der Landeselternbeirat begrüßt diese Änderungen sehr. Zahlreiche Elternbeiräte haben bereits einzeln per Geschäftsordnung solche Regelungen getroffen; die nun vorgesehene verordnungsseitige Regelung ist auch hier eine große Hilfe für ehrenamtliche Elternbeiratsvorsitzende.

Wir empfehlen stark, neben dieser Ermöglichung jedoch zusätzlich den Zugriff auf technische Systeme, die eine solche digitale Gremiensitzung unter Wahrung der DSGVO und inklusive der Möglichkeit von Abstimmungen erst richtig ermöglichen, verordnungsseitig zu regeln. Hier herrscht z.B. zwischen Artikel 7 und 10 ein Gefälle in der de-facto-Ermöglichung, wenn die Vorsitzenden der Schulkonferenz mit Zugriff auf solche technischen Systeme eine digitale Gremiensitzung rechtssicher durchführen können, Elternbeiratsvorsitzende jedoch erneut auf sich alleine gestellt sind bei der Suche nach rechtssicheren Systemen.

Artikel 12 – Änderung der Aufnahmeverordnung

In § 1 Absatz 2 Aufnahmeverordnung sehen wir einen Widerspruch zwischen der geforderten kontinuierlichen Beobachtung einerseits und dem Kaprizieren auf die bis zur ausschlaggebenden Klassenkonferenz gezeigten schulischen Leistungen eines Teils des ersten Schulhalbjahres in Klasse 4 andererseits.

Zusätzlich führt die hier erwähnte Berücksichtigung der Kompetenzmessung zu einer Verwässerung der doch eigentlich als eigenständige und unabhängige Säule konzipierten pädagogischen Gesamtwürdigung.

Der Landeselternbeirat schlägt daher folgende Neufassung von § 1 (2) vor:

In die pädagogische Gesamtwürdigung fließen insbesondere die in den Klassen 3 und 4 gezeigten schulischen Leistungen und die Einschätzung der überfachlichen Kompetenzen ein. Die pädagogische Gesamtwürdigung basiert auf differenzierten kontinuierlichen Beobachtungen des Kindes durch die Lehrkräfte.

In § 6 Absatz 2 Aufnahmeverordnung wird als Grundlage der Aufgaben für die Kompetenzmessung ein Bildungsplan für die Klasse 4 der Grundschule genannt. Diesen gibt es seit 2004 nicht mehr; damals wurde, nachdem bereits zuvor die Klassen 1 und 2 einen gemeinsamen Bildungsplan hatten, auch die Klassen 3 und 4 zusammengelegt. Einzig ein Beispielcurriculum für die Klasse 4 existiert noch, wobei in diesem ausdrücklich erwähnt ist, dass es sich um keine normative Vorgabe handle, sondern dass jede Lehrkraft frei in der Gestaltung und zeitlichen Planung sei.
Wenn nun also in einer Verordnung des Kultusministeriums das IBBW beauftragt wird, die Prüfungsaufgaben für eine zentrale Kompetenzmessung zu erstellen, es gleichzeitig aber keinerlei Handhabe gibt, die Lehrkräfte in der Fläche zu verpflichten mit ihren Schülerinnen und Schülern bis zum Prüfungsstichtag einen bestimmten Inhaltsrahmen bearbeitet zu haben, wird die gesamte Kompetenzmessung infrage gestellt.

Es zeigt sich, dass die Anfang der 90er Jahre abgeschafften Orientierungsarbeiten, denen verbindliche Lehrpläne zugrunde lagen, nicht ohne weiteres und vor allem nicht so kurzfristig wieder eingeführt werden können.

Von daher lehnen wir den 2. Abschnitt der Aufnahmeverordnung in Gänze ab, da hierdurch keine aussagekräftige, chancengleiche und objektive Kompetenzmessung ermöglicht wird.

In der Folge erwarten wir, dass für das aktuell laufende Schuljahr das Aufnahmeverfahren noch nach den aktuell gültigen Grundlagen vonstatten geht und eine entsprechende Inkraftsetzung dieser Verordnung erst zum folgenden Schuljahr bzw. bis zur Erarbeitung eines Kompetenztests, der eine objektive Grundlage darstellt, erfolgt.

Dieser Logik folgend, kann auch der Potenzialtest in der vorgesehenen Form keinen Bestand haben.

In § 9 Absatz 2 Aufnahmeverordnung werden zwar korrekt die „Bildungsstandards der Primarstufe“ zugrunde gelegt. Es ist jedoch erneut nicht möglich, zum vorgesehen Testzeitpunkt bei einem zentral gestellten Test verbindlich zu sagen, welche Lehrkraft in der Grundschule entsprechenden im Beispielcurriculum der vierten Klasse vorgesehenen Inhalte bereits behandelt hat. Einzig zum Ende der vierten Klasse wäre dies möglich.

Für das aktuelle Schuljahr ist nach den Erfahrungen mit Kompass 4 außerdem zu erwarten, dass die Erarbeitung des Potenzialtests in gleicher Verantwortlichkeit zu ähnlich überzogenen Anforderungen führt.

Der Landeselternbeirat bekräftigt daher seine Forderung nach einer Verschiebung der Einführung dieser neuen Aufnahmeverordnung, bis die beiden Testverfahren optimiert und klarer definiert sind und eine erfolgreiche Teilnahme durch die Schülerinnen und Schüler objektiv möglich ist.

Artikel 18 – Verordnung des Kultusministeriums über die Kooperationen und Oberstufenverbünde nach § 18a SchG

Der Landeselternbeirat regt eine Prüfung an, ob die Bezeichnung „Verbund“ in §§ 4 und 5 durch eine andere Begrifflichkeit ersetzt werden könnte.

„Verbund“ im schulischen Kontext ist besetzt als eine Schule mit mehreren Schularten, aber einer Schulleitung, einem Elternbeirat, einer Schulkonferenz etc.

Die in § 5 Absatz 2 vorgesehene Begrifflichkeit der „Kooperation“ sollte daher auch in den in Absatz 1 geregelten Schulnahmen-Ergänzungen Verwendung finden.

Artikel 22 – Verordnung des Kultusministeriums über die Einrichtung von G8-Zügen an Gymnasien (G8-VO)

In § 2 Absatz 2 Nummer 1 G8-VO ist von einer „zumutbaren Entfernung“ die Rede. Der Landeselternbeirat empfiehlt eine klare Definition dieser Zumutbarkeit. Insbesondere im Zusammenhang mit den Forderungen der kommunalen Verbände nach einer festgeschriebenen Zustimmung der Schulträger im Zusammenhang mit der Einrichtung der G8-Züge stellt sich auch die Frage, inwieweit nicht auch eine Übernahme der Fahrtkosten der Schülerinnen und Schüler zur Erreichung eines G9-Regelgymnasiums hier vorgesehen werden muss.

Artikel 24 – Änderung der Stundentafelverordnung Gymnasien

In Punkt 6 wirft bei der Stundentafel des Gymnasiums insbesondere die zweite Fremdsprache Fragen auf.

Sowohl für die Ermöglichung gemeinsamer Oberstufenkooperationen zwischen Realschulen und Gemeinschaftsschulen, als auch für die Möglichkeit des Übergangs von Schülerinnen und Schülern von Realschulen und Gemeinschaftsschulen zu Klasse 11 der allgemeinbildenden Gymnasien ist es wichtig, dass zu Beginn dieser 11. Klasse ein gleicher Kenntnisstand erreicht wurde, der ganz maßgeblich davon abhängt, mit wieviel Wochenstunden die einzelnen Fächer zuvor unterrichtet wurden.

Während in den Klassen 6 bis 10 der Gemeinschaftsschulen die 2. Fremdsprache mit 18 Stunden unterrichtet wird (vgl. Anlage 1 zu § 2 Gemeinschaftsschulverordnung), sind in den Klassen 6 bis 10 der Realschulen und der Gymnasien lediglich 14 (vgl. Anlage zu § 1 Absatz 1 der Verordnung des Kultusministeriums über die Stundentafel der Realschule) bzw. 15 Stunden (vgl Anlage 1 zu § 1 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung des Kultusministeriums über die Stundentafeln der Klassen der Gymnasien der Normalform und der Klassen 7 bis 11 der Gymnasien in Aufbauform mit Internat) vorgesehen.

Inwieweit hier eine Chancengleichheit, insbesondere zwischen den auf E-Niveau der Gemeinschaftsschulen und den im allgemein bildenden Gymnasien unterrichteten Kindern bestehen soll, zumal hier eine Fortsetzung des Bildungswegs der von einer Gemeinschaftsschule auf ein Gymnasium wechselnden Schülerinnen und Schüler durch die Weidereinführung von G9 ganz besonders möglich und sinnvoll erscheint, erschließt sich uns nicht ganz.

Eine Angleichung der Kontingentsstundentafeln erscheint hier geradezu zwingend.