Aktuelles
Der Landeselternbeirat wird 60
Zum 1. November im Schuljahr 1965/1966 startete der Landeselternbeirat, damals das zweite Beratungsgremium des Kultusministeriums unter Kultusminister Wilhelm Hahn (CDU).
Im Mai 1965 war das neue »Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens«, Vorläufer des heutigen Schulgesetzes, beschlossen und veröffentlicht worden. Damit war der Weg frei für eine institutionalisierte Elterngremienarbeit an den Schulen (Elternbeirat), im Gebiet der Schulträger (Gesamtelternbeirat) und auf Landesebende (Landeselternbeirat).
Die zeitgleich veröffentlichte »Verordnung des Kultusministeriums über die Elternbeiräte, Gesamtelternbeiräte, den Landeselternbeirat sowie die Klassen-, Fachgruppen-, Abteilungs- und Schulpflegsehaften an öffentlichen Schulen« regelte die erstmalige Wahl zum Landeselternbeirat und brachte diesen auf den Weg.
Als 20. Landeselternbeirat ist es uns eine Ehre, das 60-jährige Jubiläum begehen zu dürfen. Wir tun dies mit einem Festakt im November. Bis dahin werden wir uns in die Archive begeben und die Geschichte des Gremiums ein bisschen ans Licht bringen.
- Was ist anders?
- Was ist gleich?
- Welche Herausforderungen haben alle unsere Mitglieder in den sechs Jahrzehnten beschäftigt?
Klar ist: Gute Schule kann nur gemeinsam leben. Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler gemeinsam sind aufgerufen, kooperativ und auf Augenhöhe zusammen zu wirken. Denn es geht um Bildung und die Zukunft für unser Land. Aber vor allem:
Für unsere Kinder.
Lehrkräfte sind der Verfassung verpflichtet
In unserer »Schule im Blickpunkt« vom April 25 hatten wir's im Vorwort vom Beutelsbacher Konsens und der Notwendigkeit, dass Lehrkräfte Dinge beim Namen nennen dürfen und müssen. Angesichts der aktuellen Neueinstufung einer Partei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz drucken wir einen Ausschnitt des Vorworts hier ab:
Im Vorfeld der Bundestagswahl wurde mal wieder eine altbekannte Sau durchs Dorf getrieben: die politische Neutralität von Lehrkräften. Eigentlich hat sich an der Grundidee seit 1976 nichts geändert. Damals wurde im Rems-Murr-Kreis auf Initiative unserer Landeszentrale für politische Bildung etwas erarbeitet, das bis heute als ungeschriebenes Gesetz zu dieser Sache in der ganzen Bundesrepublik gilt: der Beutelsbacher Konsens.
Ursprünglich legte das Papier drei Grundprinzipien für den Politikunterricht fest, die allerdings inzwischen gemeinhin auch als Richtschnur für das Verhalten von Lehrkräften allgemein angesehen werden, sobald es um politische Themen geht. Denn dass politische Bildung in der Schule nicht nur auf Gemeinschaftskunde beschränkt sein sollte, ist richtig und wichtig.
Worum geht es also? Schülerinnen und Schüler sollen sich eine eigene Meinung bilden können und nicht indoktriniert werden; Kontroverses muss auch als solches im Unterricht dargestellt werden; und die Kinder sollen in die Lage versetzt werden, sich aktiv am politischen Prozess zu beteiligen und diesen im Sinne ihrer eigenen Interessen zu beeinflussen.
Ist das ein Neutralitätsgebot für Lehrkräfte? Während die einen „ja“ und die anderen „nein“ sagen, liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte. Denn die überwiegende Mehrheit der Lehrkräfte im Land hat Beamtenstatus und zu seiner Erlangung musste sie schwören, dass sie „das Grundgesetz [...] achten und verteidigen“ wird. Das kann man nicht tun, indem man alle zur Wahl stehenden Parteien neutral präsentiert, wenn einzelne Landesverbände als rechtsextreme Verdachtsfälle* eingestuft sind. Das kann man nicht tun, ohne Äußerungen einzelner exponierter Politiker zu verschweigen oder zu verharmlosen. Verschweigen ist nicht neutral!
Demokratie ist manchmal anstrengend, oft langwierig, sie bedarf Kompromissbereitschaft und mitunter auch einer gewissen Leidensfähigkeit. Aber sie ist keine Selbstverständlichkeit und das wertvollste, das wir in Deutschlandnach einer katastrophalen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben. Sie zu schützen und den kommenden Generationen das Rüstzeug mitzugeben sie zu erhalten, ist wichtiger denn je. Lehrkräfte dürfen, ja: müssen dafür ihren Teil beitragen und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bewahren helfen:
Für unsere Kinder.
*) An dieser Stelle hat uns die Realität seit dem Erscheinen der Ausgabe 4 der SiB eingeholt – deshalb diese erneute Veröffentlichung zum Thema...
»Nein« zu aktuellen Volksanträgen
Der LEB zu „G9, aber besser“ & „Nicht ohne unsere Realschulen“
Basisdemokratischer Erfolg kann beflügeln. Das ist wohl Ursache für zwei Volksanträge im Bildungsbereich, die aktuell fleißig die Werbetrommel rühren. Der Erfolg von „G9 jetzt BW“, der letztendlich zur Wiedereinführung von G9 zum kommenden Schuljahr geführt hat, schürt Hoffnung: Volkes Stimme ist mächtig, Volksanträge ein funktionierendes Instrument. Der Landeselternbeirat (LEB) hatte diesen Volksantrag gutgeheißen. Wie verhält es sich mit den zwei aktuellen Volksanträgen?
G9, aber besser
Ohne die ursprünglichen Initiatorinnen des ersten, erfolgreichen G9-Volksantrags hat ein Teil der damaligen Mitstreiterinnen und Mitstreiter weitergemacht. Im Dezember reichten sie einen neuen Volksantrag ein, der eine Änderung der jetzt getroffenen G9-Regelungen erreichen möchte. Rationale für diesen Vorstoß ist vor allem die fehlende Wechselmöglichkeit der jetzigen gymnasialen Kinder und Jugendlichen jenseits der aktuellen 5. Klassen, sowie die Stundentafel, die insbesondere bei der zweiten Fremdsprache und der Folge der dazukommenden Fächer – auch unserer Meinung nach – nicht optimal ausgefallen ist.
Das Hauptargument der Initiative für die zusätzliche Wechselmöglichkeit nach Klasse 6 lautet „Keine Corona-Verlierer“. Im LEB haben wir uns mit dieser Argumentation auseinandergesetzt, sehen dabei aber vor allem folgende Probleme:
- Als Corona-Verlierer“ im schulischen Kontext sind alle Kinder zu bezeichnen, die aktuell in Klasse 5 oder höher sind. Sie waren beim zweiten Lockdown mindestens in der ersten Klasse.
- Gymnasialen G8-Stress zusätzlich zu den Corona-Einschränkungen erlebten alle Kinder, die aktuell mindestens in Klasse 9 sind; sie waren beim zweiten Lockdown in Klasse 5.
- Wenn der Volksantrag im nächsten Dezember endet, kann sich – wenn er erfolgreich sein und die Politik den Gesetzentwurf durchwinken sollte – frühestens zum Schuljahr 26/27 eine Änderung herbeigeführt werden.
- In diesem Schuljahr sind die jüngsten „gymnasialen Corona-Kinder“ jedoch bereits in der Kursstufe, in der es ohnehin keinen Unterschied zwischen G8 und G9 gibt.
- Diejenigen, die den Corona-Stress in den schwierigen G8-Klassenstufen 7 bis 10 erlebt haben, sind dann sogar bereits nicht mehr auf dem Gymnasium.
Richtig ist: Corona wirkt auch heute noch nach und viele Kinder und Jugendliche haben Defizite, deren Bearbeitung die ganze Anstrengung des Bildungssystems in Anspruch nehmen sollte. Als Gremium, das alle Schularten im Blick hat, sagen wir aber auch ganz klar: Das muss dann auch für alle Schularten gelten und darf nicht auf die Schulart Gymnasium beschränkt sein.
Die Neuauflage des G9-Volksantrags kann der LEB daher nicht unterstützen.
Nicht ohne unsere Realschulen
Wahlweise „es geht um die Wurst“ bzw. „den Senf dazugeben“ – diese Assoziation ruft das visuelle Motiv des Realschul-Volksantrags hervor, der vom Realschullehrerverband (RLV) auf dessen Website intensiv beworben wird. Wer diesen Volksantrag unterschreibt, fordert damit die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung nicht nur für die Schulart Gymnasium, sondern auch für die Realschule.
Das Hauptargument der Initiatoren lautet sinngemäß: Die Verbindlichkeit sichert die Existenz und Eigenständigkeit des gegliederten Schulsystems.
Bereits bei der Vorstellung des Volksantrags in der Landespressekonferenz am 8. November 2024 hatte sich der LEB kritisch geäußert, da der Zusammenhang zwischen Verbindlichkeit (also tendenziell weniger Schülerinnen und Schülern) und Existenzsicherung einer Schulart (für die es idealerweise mindestens gleich viel, tendenziell aber mehr Schülerinnen und Schüler bedarf) nicht gänzlich selbsterklärend erscheint.
Als LEB ist unsere Haltung daher zu diesem Volksantrag:
- Wir lehnen die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung grundsätzlich ab und plädieren für mehr Information und Aufklärung der Eltern.
- Wir sehen aktuell außer einem Vorschlag eines Think-Tanks keinerlei Regierungsbestrebungen, die drei Schularten neben dem Gymnasium in eine einzige Säule zusammenzufassen, weshalb der nahende Tod der Realschulen, wie vom RLV dargestellt, eher unwahrscheinlich scheint.
- Uns erscheint es als kontraproduktiv, den Zugang zu einer sehr guten Schulart zu beschränken, die für viele Jugendliche die Möglichkeit zum Aufstieg bietet.
- Eine Schulart beweist ihre Notwendigkeit und Qualität nicht durch einen scheinbaren Exklusivitäts-Charakter, sondern durch innovative Schulentwicklung und hervorragende pädagogische Arbeit.
Auch diesen Volksantrag können wir als LEB daher guten Gewissens nicht unterstützen.
Der LEB auf der didacta 2025
Die didacta ist Europas größte Bildungsmesse und findet 2025 wieder »vor unserer Haustür« auf der Messe Stuttgart statt.
Vom 11.–15. Februar 2025 gibt es ein prall gefülltes Angebot rund um alle Bereiche von frühkindlicher Bildung bis hin zu Erwachsenenbildung. Der schulische Bereich – also »unserer« – ist traditionell der am breitesten aufgestellte.
Als Landeselternbeirat werden wir drei Tage, von Donerstag bis Samstag, 13.–15. Februar, selbst vor Ort sein. Man trifft uns auf zahlreichen Podien und Vorträgen (siehe die Bilder mit unseren Beteiligungen) und am Freitag zusätzlich noch mit einem kleinen Stand in der Sonderschau des Ganztagsbetreuungskongresses.
- Donnerstag, 13. Februar 2025
15:45 – 17:00 Uhr
Qualität im Ganztag – warum es nur gemeinsam gelingen kann
Podiumsdiskussion der Kooperationsgemeinschaft Ganztag
ICS, Raum C6.1
- Freitag, 14. Februar 2025
ganztägig
Der LEB auf der Sonderschaufläche »Ganztagsbetreuungskongress«
Hier kann man den LEB treffen, ins Gespräch kommen und seine Wünsche an den guten Ganztag formulieren.
Halle 7, Sonderschaufläche B81
- Samstag, 15. Februar 2025
10:00 – 11:00 Uhr
G9 – Chancen und Perspektiven
Podiumsdiskussion des Kultusministeriums
Halle 7, Landesstand B10
- Samstag, 15. Februar 2025
10:00 – 12:00 Uhr
Ein Schultag aus Sicht der Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern
verschiedene Kurzvorträge, unter anderem vom LEB
veranstaltet vom Fachverband Gebäude-Klima, BLV und Heinz-Trox-Stiftung
Halle 1, Stand C86 - Samstag, 15. Februar 2025
12:10 – 13:10 Uhr
Demokratie in der Schule (er)leben
Podiumsdiskussion von LEB und LSBR
Halle 7, Landesstand B10
Wir freuen uns auf gute Gespräche und interessante Neuigkeiten!
Wenn Politik sich mit Bildung befasst, kommt selten etwas wirklich Gutes dabei heraus, wie wir gerade im Rahmen der Schulgesetzänderung gesehen haben.
Orientierung bei der Schulartwahl – Webinar am 12. Februar 2025
Liebe Eltern der vierten Klassen in Baden-Württemberg,
für Ihre Kinder steht der nächste Schritt bevor:
Sie entscheiden sich für die weiterführende Schule.
Das Schulgesetz wurde vergangenen Mittwoch geändert. Für Sie und Ihre Kinder gilt nun erstmals das „neue Übergangsverfahren“.
Nun heißt es für Sie: Alles ist neu, alles ist ungewohnt – und sicherlich haben Sie viele Fragen.
Wir wollen Sie dabei unterstützen und laden Sie zu einem Webinar ein:
12. Februar 2025, 19:30 Uhr
- Erfahren Sie, wie die Schullandschaft 2025 aussieht.
- Lernen Sie die möglichen Bildungswege ab Klasse 5 kennen.
- Erkennen Sie, was anders ist als zu Ihrer Schulzeit.
- Wählen Sie im Rahmen des Möglichen die beste Schulart für Ihr Kind.
Wir freuen uns auf rege Teilnahme – sagen Sie es gerne auch weiter!
Die neue Grundschulempfehlung darf (noch) nicht eingeführt werden
Schule braucht Zeit.
Das ist manchmal frustrierend, wenn Veränderungen nicht schnell genug implementiert und wirksam werden können. Aber die Alternative dazu ist, dass unsere Kinder zu Versuchskaninchen werden.
Der LEB hat sich seit über einem Jahr für begleitende Maßnahmen bei der Wiedereinführung von G9 stark gemacht. Wir haben dabei auch die Grundschulempfehlung in den Blick genommen und stets für mehr und bessere Information und Aufklärung plädiert. Am Ende wünschten wir uns, dass final der Elternwille zwar ausschlaggebend sein müsse – so wie er das in allen anderen Lebensbereichen des Kindes auch ist; aber denjenigen Eltern, die vermeintlich das beste für ihr Kind wollen und es unter Umständen mit der falschen Schulartwahl überfordern, wollten wir flankierende Beratung an die Hand geben.
Was die Politik dann entworfen hat, war eine neue Verbindlichkeit, die das Gymnasium durch die allein dort geltende Verbindlichkeit noch zusätzlich überhöht und dadurch kontraproduktiv wirkt. Auch darauf haben wir nach der Entscheidung von Bebenhausen hingewiesen.
Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen. Der frisch eingeführte Kompass 4 ist sogar von der Kultusministerin kritisiert worden, der Potenzialtest wird von genau den gleichen Verantwortlichen erstellt und wird vermutlich ebenso überzogen sein und 97.000 Schülerinnen und Schüler der aktuellen vierten Klassen sind einem unausgereiften, auf den letzten Drücker finalisierten Übergangsverfahren ausgeliefert. Zumal sämtliche zentralen Vergleiche eigentlich unmöglich sind, da seit 2004 ein verbindlicher Bildungsplan für die letzten beiden grundschulejahre lediglich vorschreibt, was am Ende der vierten Klasse gelernt worden sein muss. Was an einem beliebigen Stichtag im November alle Kinder können sollen, ist darin nicht festgelegt.
- keine Verbindlichkeit
- kein Kompass 4
- kein Potenzialtest
Für ein nachhaltig glaubwürdiges System. Aber vor allem:
Für unsere Kinder.
(Aktuelle Presseberichte rund um Kompass 4 finden sich stets in unserer Kategorie »Presse«.)
Ein bisschen mehr als ein Jahr 20. LEB
Ins kalte Wasser geschmissen, erlebten wir recht schnell ein – für bildungspolitische Verhältnisse – wahres Feuerwerk
Das erste komplette Schuljahr des 20. Landeselternbeirats geht zu Ende. Ein Schuljahr, von dem zu Beginn noch niemand geahnt hat, welche großen bildungspolitischen Brüche es bringen würde.
Nicht wenige dachten vor einem Jahr, das angekündigte Bürgerforum zur Frage „G8 oder G9“ sei eine Nebelkerze aus der Villa Reitzenstein, um dem Volksantrag „G9 jetzt! BW“ den Wind aus den Segeln zu nehmen. Nicht wenige wussten zu Schuljahresbeginn nicht, ob ebendieser Volksantrag erfolgreich sein würde. Nicht wenige hatten Bedenken, der Bürgerforums-Prozess könnte gelenkt sein.
Sie alle hatten Unrecht.
Hochgeschwindigkeitsänderungen
In wenigen Wochen und Monaten hat das baden-württembergische Schulsystem im zu Ende gehenden Schuljahr mehr Bewegung hingelegt als in allen Jahren seit 2012 zusammen. Und das, obwohl im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung explizit drinstand, das Schulsystem im Großen und Ganzen nicht anzutasten. Verbriefter Stillstand sozusagen.
Als Landeselternbeirat hätten wir uns natürlich ein bisschen mehr gewünscht. Bereits kurz nach Veröffentlichung des Bürgergutachtens im Dezember hatten wir noch vor Weihnachten neun Impulse veröffentlicht. Sie drehten sich nicht nur um die Art der G9-Wiedereinführung, sondern auch darum, was flankierend getan werden müsste. Wir hätten uns eine stärkere Profilierung in den Schularten neben dem Gymnasium gewünscht, zum Beispiel durch eine explizite Empfehlung der Gemeinschaftsschule (gibt es auch weiterhin nicht), zum Beispiel durch weniger G-Niveau auf Realschulen (es wird stattdessen nun mehr geben). Wir hätten uns gewünscht, dass man sich bei der Grundschulempfehlung ehrlich macht und auch mal anspricht, ob es sinnvoll ist, die Lehrkräfte in den Grundschulen circa 50% Gymnasialempfehlungen aussprechen zu lassen, wo im Schulgesetz immer noch steht, dass die Schulart Gymnasium „Schülern mit entsprechenden [...] Bildungsabsichten“ eine Bildung vermitteln soll, „die zur Studierfähigkeit führt“. Es ist nämlich durchaus zu hinterfragen, ob nicht auch der nahezu inflationäre Anstieg der Gymnasialempfehlungen zur zumindest wahrgenommenen bzw. gefühlten Abwertung der anderen Schularten geführt hat.
Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, muss bei der Gestaltung des Erziehungs- und Schulwesens berücksichtigt werden.
Artikel 15 Absatz 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg
Fokus der Grundschulempfehlung
Als Interessenvertretung der Eltern ist es unsere natürliche Pflicht, Elternrechte zu verteidigen. Das heißt nicht, dass wir nicht auch kritisch die eigene Klientel beobachten und Fehlentwicklungen ansprechen. Ja: Es gibt Eltern, die im Bestreben, das Beste für ihr Kind zu wollen, dieses zur 5. Klasse an einem Gymnasium anmelden, obwohl es dort überfordert wird. Diese Eltern tun ihrem Kind keinen Gefallen, denn Misserfolgserlebnisse in Klasse 5 oder 6 werden die gesamte weitere Schulzeit wie eine Versagens-Bürde auf den Kindern lasten. Unser Schulsystem – dafür ist Baden-Württemberg bekannt – bietet genügend Durchlässigkeit, um auch ohne den Besuch eines Gymnasiums ab Klasse 5 die Hochschulreife zu erlangen, wenn es denn überhaupt eine sein muss.
Wogegen wir uns als Landeselternbeirat aber vehement stemmen, ist die Verengung der politischen Diskussion rund um die Grundschulempfehlung auf ebendiese falschen Elternentscheidungen. Gefälligkeitsempfehlungen oder einfach Fehleinschätzung wohlwollender Grundschullehrkräfte sind genauso problematisch, fanden allerdings keinerlei Widerhall in den Äußerungen derer, die sich für die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung feiern lassen wollten.
So können wir im Zusammenhang mit den Elternrechten zum Ende unseres ersten Jahres im Amt als 20. Landeselternbeirat zumindest mit ein wenig Konsternierung bilanzieren:
Elternrechte? Schnee von gestern.
Bei der Erfüllung ihres Auftrags hat die Schule das verfassungsmäßige Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, zu achten [...].
§ 1 Absatz 3 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg
Die aktuelle Regierungskoalition hat es geschafft, binnen 12 Monaten in zwei für Eltern von Grundschulkindern essentiellen Bereichen Elternmitwirkung stark zu beschneiden: Zunächst durch die Änderung des § 4a Schulgesetz (Entscheidung der Umwandlung einer Grundschule in eine Ganztagsschule nicht mehr in der Schulkonferenz) und nun bei der kommenden Grundschulempfehlung (bei der ultimativ ein Test allein ausschlaggebend sein wird).
Das ist dann schon auch irgendwie bemerkenswert. Die gleiche Regierungspartei, die seit Übernahme der Regierungsgeschäfte mit Volksantrag und Bürgerforum mehr Mitbestimmungsrechte für Bürgerinnen und Bürger in der Politik einführte, trägt nun die eklatante Beschränkung von Mitbestimmungsrechten der Eltern in der Schule mit. In beiden Fällen wäre es so einfach, durch Aufklärung und Information mehr zu erreichen als durch Zwang.
Es wird also spannend bleiben für den 20. LEB.
Für unsere Kinder.
100% Politik-Schauspiel – Bildungsallianz gescheitert
Seit vielen Jahren ist es gang und gäbe, dass bei dem Gespräch zur Erläuterung der Grundschulempfehlung nicht nur die Lehrkraft und die Eltern beratschlagen, sondern diejenigen, die es betrifft, auch dabei sind: die Kinder.
Die Politik ist noch nicht soweit. Sie traf sich zu einer Fortsetzung der Gespräche über eine mögliche Bildungsallianz. Eingeladen waren hier die Betroffenen natürlich nicht.
Die Ankündigung der Gespräche zur Bildungsallianz hatten wir sehr erfreut vernommen, die Verschiebung der zweiten Gesprächsrunde um mehrere Wochen hätte uns dann aber schon stutzig machen müssen.
Die Location Bebenhausen wirkt wie eine Trutzburg, schwer einnehmbar, etwas angestaubt, knarzende Dielenböden – kurz: zwischen den Altaren Muff von 1000 Jahren. Ein Ort wie gemacht für zukunftsorientierte Bildungspolitik...
Kaum hatten sich alle eingefunden, fiel dem Vernehmen nach irgendwo eine Kaffeetasse um, und der Vorhang fiel. Wortreich wurde von der Opposition das Ende der Bildungsallianz beklagt, danach ebenso wortreich von der Koalition erklärt, dass man schon halt auch Vorschläge mitbringen müsse und überhaupt: Jetzt sei auch mal wieder gut mit so Allianzen, jetzt werde wieder regiert und opponiert. Basta.
Wer nicht zu Wort kam: Schulleitungen, Lehrkräfte, Schüler oder Eltern. Was nicht zu Wort kam: die Notwendigkeit, dass Schulen Ruhe brauchen und nicht wie das Kaninchen vor der Wahltagsschlange sitzen sollten, weil sie befürchten müssen, dass wieder einmal alles umgeschmissen wird. Was wieder einmal im Fokus stand: Strukturdebatten statt Qualitätsoffensiven, Politik-Klein-Klein statt Zukunftsbildung oder Bildungszukunft, Koalitionskonstrukt statt Allianzansatz.
Was genau im Bildungsreform-Paket enthalten ist, haben wir im Artikel »Erziehungspartnerschaft – was war das nochmal?« in der Schule im Blickpunkt 5/2024 zusammengefasst.
Ganz besonders weisen wir mit allem Nachdruck darauf hin, dass eine Beschneidung der elterlichen Kompetenz im Zusammenhang mit der Entscheidung über die weiterführende Schulart ein Rückschritt ist. Wir möchten intensive Gespräche führen, um auszuloten, warum hier wieder einmal die Erziehungpartnerschaft zu Ungunsten der Eltern verschoben wird.
Hierzu gibt es auch den ein oder anderen Bericht aus der presse in unserer Presse-Übersicht.
LEB-Sitzung mit Ministerin Theresa Schopper
Zum einjährigen Bestehen des 20. Landeselternbeirats war Kultusministerin Theresa Schopper zu Gast im LEB. Ihre Teilnahme war bereits Anfang Oktober vereinbart worden, nachdem sie dem Gremium zum Schuljahresstart einen kurzen Besuch abgestattet hatte.
Die Teilnahme auf der 12. Sitzung war indes ein Arbeitsbesuch: Es ging um die großen Themen, die den baden-württembergischen Kultusbereich zur Zeit beschäftigen:
- Sprachförderkonzept vor Schuleintritt
- Rückkehr zu G9
- Lehrkräftemangel und seine Behebung
- sonstige grundsätzliche Reformideen
Daneben gab es noch zahlreiche Fragen aus den Reihen der LEB-Mitglieder zu Themen wie Zukunft der SBBZ, Lehrkräftefortbildung, Grundschulempfehlung und Gewalt an Schulen.
Eine Woche nach dem parteiübergreifenden Bekenntnis zur G9-Rückkher, nur einen Tag, nachdem sich die Koalition auf das Sprachförderkozept geeinigt hatte, und wenige Tage vor dem nächsten Gipfeltreffen zu einer möglichen Bildungsallianz im Land waren sich Ministerin Schopper und LEB-Vorsitzender Sebastian Kölsch darin einig, dass dies intensive bildungspolitische Zeiten sind. Der Austausch zwischen LEB und der Ministerin ist nicht nur deswegen wichtig, bringt er doch Gedanken und Meinungen ins Ministerium, die sonst nur schwerlich bis in seine Spitze vordringen.
Nach intensiven 90 Minuten des Austauschs bedankte sich der LEB-Vorsitzende bei der Ministerin für den Besuch und gab ihr als vordringlichsten Wunsch der Elternschaft mit, in der Politik für die Impulse des LEB im Zusammenhang mit der Rückkehr zu G9 zu werben. »Das aktuell vieldiskutierte 2-aus-3-Modell bei der Grundschulempfehlung bedeutet de facto eine Rückkehr zur Verbindlichkeit. Als LEB haben wir mit unserer Idee eines auf Kompetenztestung und Beratung basierenden Prozesses einen Impuls gegeben, an dessen Ausarbeitung wir gerne mitwirken.«
Der LEB hat sich für 2024 vorbereitet
Im Schwarzwald hat sich unser Vorstand ein Wochenende lang einquartiert, um die Arbeit des LEB – nicht nur – im begonnenen Jahr zu planen. Es ging auch um Strukturen, Kollaboration, Prozesse, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit, die nächste Sitzung und, und, und...
Wir kommen gestärkt aus Dornstetten zurück und freuen uns auf die vor uns liegenden Aufgaben und dieses spannende Bildungsjahr 2024!